Das Elektrokardiogramm (EKG) ist ein unverzichtbares Instrument in der medizinischen Diagnostik, das die elektrische Aktivität des Herzens über die Zeit aufzeichnet. Für Rettungsdienstmitarbeiter ist ein fundiertes Verständnis des EKGs entscheidend, um lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen schnell erkennen und entsprechende Maßnahmen einleiten zu können. Diese Einführung behandelt die physiologischen Grundlagen, die technische Durchführung, die Interpretation der Ergebnisse und die praktische Anwendung des EKGs im Rettungsdienst.
Physiologische Grundlagen
Das Herz generiert elektrische Signale, die seine rhythmischen Kontraktionen steuern. Diese elektrische Aktivität beginnt im Sinusknoten, dem natürlichen Schrittmacher des Herzens, der sich im rechten Atrium befindet. Von dort breiten sich die Impulse über die Vorhöfe aus, erreichen den AV-Knoten, durchlaufen das His-Bündel, die Tawara-Schenkel und die Purkinje-Fasern, um schließlich die Ventrikel zu depolarisieren. Dieser Prozess führt zur Kontraktion des Herzmuskels und zum Pumpen von Blut in den Körper.
Technische Durchführung des EKGs
Ein Standard-EKG wird mit 12 Ableitungen durchgeführt: sechs Extremitätenableitungen (I, II, III, aVR, aVL, aVF) und sechs Brustwandableitungen (V1 bis V6). Jede Ableitung betrachtet das Herz aus einer anderen Perspektive, was eine dreidimensionale Sicht auf die elektrische Aktivität des Herzens ermöglicht. Die korrekte Platzierung der Elektroden ist entscheidend für die Genauigkeit der Aufzeichnungen.
Interpretation des EKGs
Wellen, Segmente und Intervalle
- P-Welle: Indiziert die Depolarisation der Vorhöfe.
- QRS-Komplex: Repräsentiert die Depolarisation der Ventrikel, die viel größere Muskelmasse des Herzens.
- T-Welle: Zeigt die Repolarisation der Ventrikel an.
- PR-Intervall: Die Zeit von Beginn der Vorhofdepolarisation bis zum Beginn der Ventrikeldepolarisation.
- QT-Intervall: Misst die Dauer der ventrikulären Aktivität, einschließlich Depolarisation und Repolarisation.
Rhythmusanalyse
Die Beurteilung des Herzrhythmus ist ein grundlegender Aspekt der EKG-Interpretation. Ein normaler Sinusrhythmus ist gekennzeichnet durch eine regelmäßige Abfolge von P-Wellen gefolgt von QRS-Komplexen, wobei die Herzfrequenz zwischen 60 und 100 Schlägen pro Minute liegt. Abweichungen von diesem Muster können auf verschiedene Arrhythmien hinweisen, die spezifische medizinische Interventionen erfordern.
Identifizierung von Pathologien
Die EKG-Interpretation ermöglicht die Erkennung zahlreicher pathologischer Zustände, darunter:
- Ischämische Herzkrankheiten: Manifestieren sich durch ST-Segment-Veränderungen oder abnormale Q-Wellen.
- Arrhythmien: Wie Vorhofflimmern, ventrikuläre Tachykardien oder Bradyarrhythmien.
- Elektrolytstörungen: Können zu charakteristischen Veränderungen in den EKG-Wellen führen.
- Herzhypertrophie: Verursacht typische Veränderungen im QRS-Komplex.
Praktische Anwendung im Rettungsdienst
Im Rettungsdienst ist die schnelle und genaue Interpretation des EKGs von entscheidender Bedeutung. Es ermöglicht die sofortige Identifizierung akuter kardialer Ereignisse wie Herzinfarkte und die Einleitung lebensrettender Maßnahmen. Rettungsdienstmitarbeiter müssen in der Lage sein, ein EKG rasch zu bewerten, um über die Notwendigkeit eines sofortigen Transports in eine spezialisierte Einrichtung zu entscheiden und gegebenenfalls präklinische Therapien einzuleiten.
Fallstudien und klinische Szenarien
Das Studium von Fallstudien und die Simulation klinischer Szenarien sind effektive Methoden, um die Fähigkeiten in der EKG-Interpretation zu verbessern. Durch die Analyse realer und hypothetischer Fälle können Rettungsdienstmitarbeiter ihr Verständnis für die Vielfalt kardialer Ereignisse vertiefen und lernen, unter Druck präzise Diagnosen zu stellen
Interpretation des EKG
Die Interpretation des Elektrokardiogramms (EKG) ist ein komplexer Prozess, der ein fundiertes Verständnis der normalen und abweichenden Muster der elektrischen Aktivität des Herzens erfordert. Die Fähigkeit zur korrekten Interpretation des EKGs ist für das medizinische Fachpersonal, insbesondere im Rettungsdienst, von entscheidender Bedeutung, um eine schnelle und effektive Patientenversorgung sicherzustellen. Im Folgenden finden Sie eine systematische Anleitung zur Interpretation des EKGs, die sich in fünf grundlegende Schritte unterteilen lässt.
1. Beurteilung der Herzfrequenz
Die Herzfrequenz kann direkt am EKG durch Zählen der QRS-Komplexe innerhalb eines bestimmten Zeitraums oder indirekt durch Messung des Abstands zwischen zwei QRS-Komplexen bestimmt werden. Ein normaler Ruheherzschlag liegt zwischen 60 und 100 Schlägen pro Minute. Werte außerhalb dieses Bereichs weisen auf Tachykardie (>100 Schläge pro Minute) oder Bradykardie (<60 Schläge pro Minute) hin.
2. Beurteilung des Herzrhythmus
Um den Herzrhythmus zu beurteilen, betrachtet man die Regelmäßigkeit der QRS-Komplexe. Ein regelmäßiger Rhythmus weist darauf hin, dass jeder Herzschlag in einem gleichmäßigen Abstand auftritt, während ein unregelmäßiger Rhythmus auf eine potenzielle Arrhythmie hinweisen kann. Zusätzlich wird die P-Welle vor jedem QRS-Komplex überprüft, um festzustellen, ob der Rhythmus im Sinusknoten (normal) beginnt.
3. Analyse der P-Welle
Die P-Welle repräsentiert die Vorhofdepolarisation. Ihre Form, Dauer und Relation zum QRS-Komplex geben Aufschluss über die atriale Aktivität. Eine normale P-Welle ist glatt, positiv in den meisten Ableitungen und wird von einem QRS-Komplex gefolgt. Abweichungen in Form oder Timing der P-Welle können auf Vorhofvergrößerung oder atriale Arrhythmien hinweisen.
4. Beurteilung des PR-Intervalls
Das PR-Intervall misst die Zeit von Beginn der Vorhofdepolarisation bis zum Beginn der Ventrikeldepolarisation. Ein normales PR-Intervall liegt zwischen 120 und 200 Millisekunden. Ein verlängertes PR-Intervall kann auf einen AV-Block hinweisen, während ein verkürztes PR-Intervall auf eine Präexzitation wie das Wolff-Parkinson-White-Syndrom hindeuten kann.
5. Analyse des QRS-Komplexes und der ST-Strecke
Der QRS-Komplex repräsentiert die Depolarisation der Ventrikel und sollte normalerweise weniger als 120 Millisekunden dauern. Eine Verlängerung des QRS-Komplexes kann auf einen Schenkelblock oder eine ventrikuläre Hypertrophie hinweisen. Die ST-Strecke, die dem QRS-Komplex folgt, gibt Aufschluss über mögliche Ischämien oder Myokardinfarkte. Eine Hebung oder Senkung der ST-Strecke ist ein kritisches Zeichen, das sofortige Aufmerksamkeit erfordert.
6. Beurteilung der T-Welle
Die T-Welle repräsentiert die Repolarisation der Ventrikel. Veränderungen in Form, Amplitude oder Polarität der T-Welle können auf Elektrolytstörungen, Ischämie oder andere kardiale Pathologien hinweisen.
Die praktische Anwendung des EKGs im Rettungsdienst, insbesondere in der präklinischen Phase, ist von entscheidender Bedeutung für die frühzeitige Erkennung und Behandlung lebensbedrohlicher Zustände wie Kammerflimmern, ventrikuläre Tachykardie (VT) und supraventrikuläre Tachykardie (SVT). Die Fähigkeit, diese Zustände schnell zu identifizieren und angemessen zu reagieren, kann die Überlebenschancen des Patienten signifikant erhöhen. Im Folgenden werden die Schlüsselkonzepte und Handlungsstrategien für diese Arrhythmien im präklinischen Einsatz dargestellt.
Kammerflimmern (VF)
Kammerflimmern ist eine lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung, bei der unkoordinierte elektrische Aktivität im Herzen dazu führt, dass es aufhört, Blut effektiv zu pumpen. Im EKG zeigt sich Kammerflimmern als eine schnelle, unregelmäßige Aktivität ohne erkennbare QRS-Komplexe, T-Wellen oder P-Wellen.
Präklinische Anwendung:
- Sofortige Defibrillation ist die wichtigste Maßnahme bei Kammerflimmern. Jede Verzögerung verringert die Überlebenschancen des Patienten.
- CPR (Herz-Lungen-Wiederbelebung): Wenn ein Defibrillator nicht sofort verfügbar ist, sollte sofort mit CPR begonnen werden, um den Blutfluss zu den lebenswichtigen Organen aufrechtzuerhalten.
- Nach erfolgreicher Defibrillation: Sicherstellung einer stabilen Herzaktivität und Transport in das nächstgelegene Krankenhaus für weitere Behandlung.
Ventrikuläre Tachykardie (VT)
Ventrikuläre Tachykardie ist eine schnelle Herzrhythmusstörung, die aus den Ventrikeln stammt. Im EKG zeigt sich VT als eine schnelle Abfolge breiter QRS-Komplexe mit einer Rate von mehr als 100 Schlägen pro Minute.
Präklinische Anwendung:
- Bewertung des Patienten: Bei einem bewusstseinsklaren Patienten mit stabilem Blutdruck kann der Versuch unternommen werden, den Rhythmus medikamentös zu konvertieren.
- Synchronisierte Kardioversion: Bei hämodynamischer Instabilität oder Bewusstlosigkeit sollte eine synchronisierte Kardioversion durchgeführt werden.
- CPR: Bei einem pulslosen VT-Patienten sollte sofort mit CPR begonnen und eine Defibrillation in Betracht gezogen werden.
Supraventrikuläre Tachykardie (SVT)
Supraventrikuläre Tachykardie ist eine schnelle Herzrhythmusstörung, die oberhalb der Ventrikel entsteht. Im EKG zeigt sich SVT als eine schnelle, aber regelmäßige Herzaktivität mit schmalen QRS-Komplexen.